Die Krähe auf der Schulter des Fräuleins


 – Herr Glockbergl steuerte auf die Parkbank zu. Er wollte einen Moment lang durchatmen. Nachdenken. Einen Entschluss fassen. Die Parkbank war unbesetzt. Nur eine Krähe hockte oben auf der Rückenlehne und starrte aufmerksam dem Herankommenden entgegen. Herr Glockbergl hoffte, sie würde dort hocken bleiben, er wünschte sich Gesellschaft. Keine Spaziergänger. Er wollte mit niemandem reden. Ein stummer Zuschauer wäre ihm willkommen gewesen. Der hätte ihn eine Weile noch ans Leben erinnert. Die Krähe flog auf.

Nachdem Herr Glockbergl sich gesetzt hatte, versuchte er es mit dem Nachdenken. Atmete tief durch. Aber er schaffte es nicht, seine Gedanken zusammenzuhalten. Sie fuhren im Kopf Karussell. Das beunruhigte ihn. Er atmete stoßweise. Verfiel in ein kreisendes Schwanken. Von Bewusstseinsstörungen hatte der Hausarzt gesprochen, die sich mit der Zeit verstärken könnten. Herr Glockbergl tupfte sich mit dem Handrücken Schweißperlen von der Stirn. Sollte er jetzt einfach die Augen schließen, nach der Giftampulle in seiner Hosentasche greifen, vielleicht noch einmal laut auflachen, um sich dann mit diesem letzten Gelächter aus der Welt zu verabschieden? Eine Wolke fiel ihm auf, die über seinen Kopf hinwegschwebte. Die ihn an ein Schaf erinnerte. Als Kind hatte er ein Schaf geliebt. Das schwebte jetzt über ihm, so kam es ihm vor. Er blickte dem Schaf gebannt nach.

Herr Glockbergl hatte sich für das, was er vorhatte, den Stadtpark seines Heimatortes Kleinwedel ausgesucht, der um die Mittagszeit immer in eine geheimnisvolle Stille getaucht war. Oft war er mittags hier an den hohen Bäumen entlang gebummelt und hatte diese Stille genossen. Aber heute schien ihm der Park voller Lärm zu sein. Die Krähe hatte sich plötzlich von weither mit Gekreisch gemeldet, das nun aus allen Richtungen näher zu kommen schien.

Sein Tod war beschlossene Sache. An der es nichts mehr zu rütteln gab. Herr Glockbergl hatte die Rolle des Vollstreckers erhobenen Hauptes angenommen. Niemand sollte ihm da hineinreden. Auch der Tod selbst nicht.

In seinem bisherigen Leben war ihm der Tod immer aus dem Weg gegangen. Hatte ihn großzügigerweise übersehen, einen Bogen um ihn geschlagen. So schätzte Herr Glockbergl es ein. Einen Verkehrsunfall hatte der einstige Bibliothekar und jetzige Rentner Glockbergl unbeschadet überlebt. Drei Leute hatten dabei ihr Leben verloren, er jedoch auf dem Beifahrersitz, aus Vergesslichkeit nicht einmal angeschnallt, war mit dem Leben davongekommen. Ohne einen Kratzer. Auch als er eines Abends betrunken eine Uferböschung hinuntergerollt war, hatte sich sein Freund Tömmelmann, mit dem zusammen er Geburtstag gefeiert hatte, beim Rettungsversuch das Genick gebrochen – der betrunkene Herr Glockbergl war am Leben geblieben. Der Tod hatte sich nicht an ihn herangetraut. Damals nicht und später erst recht nicht. Nie war ein Zugriff erfolgt. Auch nicht, als ihm die eisenbeschlagene Schiebeleiter, die zum Dachboden seiner Wohnung führte, aus den Händen geglitten war und auf ihn herunterkrachte. Kein Schädelbruch, kaum eine Beule. Er schien gegen die Attacken des Todes immun zu sein. Anders konnte Herr Glockbergl sich sein Überlebensglück nicht erklären. Und diese Erkenntnis ließ ihn eines Tages tollkühn werden: Er forderte den Tod heraus. Im Stadtwald von Kleinwedel war er zu dem berüchtigten Wildschweingürtel gewandert, und hier traf er auf eine Rotte alter Keiler. Er wollte sein Leben aufs Spiel setzen – auf ein Spiel mit dem Tod. Der Tod verlor. Herr Glockbergl ging auf die Tiere zu, trieb sie vom Futter weg, in der Gewissheit, sie würden ihn angreifen, aber die wild auffauchenden Bestien nahmen Reißaus.

Dann aber, vor einem Jahr, war ihm an einem Sonntagnachmittag unversehens schwindelig geworden. Beim Parkspaziergang. Für Sekunden musste er in die Hocke gehen, um wieder Halt zu finden. Und er fühlte einen Stich in der Herzgegend. Am folgenden Montagmorgen sprach er beim Hausarzt vor, und der erklärte ihm dann nach einer gründlichen Untersuchung: «Mein lieber Herr Glockbergl, mit Ihren beinahe achtzig Jahren sollten Sie vernünftig genug sein und auf Vorsicht umschalten. Sie sind ein Fall für den Kardiologen. Sie gehen ohne Widerspruch sofort dorthin. Wenn ich mich nicht täusche, wird man Ihnen eine neue Herzklappe einsetzen müssen.»

«Und wenn ich nicht hingehe?»

«Werden die Schmerzen heftiger!»

«Und ich sterbe?»

«Das könnte Ihnen so passen! So schnell ist der Tod nicht zu haben! Sie werden erst einmal leiden.»

Nachdem Herr Glockbergl die Praxis verlassen hatte, versuchte er eine Entscheidung zu treffen: Würde er beim Kardiologen vorsprechen? Sollte er es aufschieben? Er schob es auf.


Im Kleinwedeler Stadtpark war die Krähe verstummt. Es war wieder leise geworden. Ein Käfer krabbelte Herrn Glockbergl am Hosenbein hoch. Er betrachtete ihn. Dann schnippte er ihn weg. Der Käfer fiel auf den Rücken, zappelte wie irrsinnig mit den Beinen, konnte sich plötzlich herumwerfen und tackelte davon. Auch so ein Überlebenskünstler, dachte Herr Glockbergl. Für einen Augenblick fühlte er sich dem Käfer freundschaftlich verbunden. Auch so einer, an den sich der Tod nicht nach Belieben heranmachen konnte! Und Herr Glockbergl staunte über sich selbst: Da war ihm doch gerade eine beinahe philosophische Erkenntnis herausgerutscht! Sein Verstand arbeitete offenbar noch auf beachtlichem Niveau! Herr Glockbergl streckte sich. Die Parkbankbretter knarrten.

Wenn da bloß nicht diese Lustlosigkeit wäre! – dachte Herr Glockbergl. Diesen Gedanken wurde er seit Wochen nicht los. Mit großem Erschrecken hatte er eines Morgens festgestellt, dass ihm die Neugier abhanden zu kommen schien. War so etwas möglich? Eine Folge der Bewusstseinsstörungen? Hatte er über Nacht verlernt, neugierig zu sein? Zum Beispiel interessierte es ihn überhaupt nicht mehr, wenn man ihn in der abendlichen Tagesschau darauf hinwies: Eine Naturkatastrophe drohe über Europa hereinzubrechen. Es war Herrn Glockbergl nun auch geradezu wurscht, dass der Bürgermeister von Kleinwedel, mit dem er auf der Schulbank gesessen hatte, als Heiratsschwindler enttarnt wurde. Solche Ereignisse hätten den engagierten Stammtischbruder Glockbergl in früheren Zeiten zu rhetorischer Hochform auflaufen lassen, überhaupt keine Frage. Das Interesse an solchen lebensversüßenden Alltäglichkeiten war für ihn immer ein Markenzeichen des gesund empfindenden Bürgertums gewesen. Und jetzt das: Sein Interesse daran ließ nach. 

Das Ende kam dann überraschend schnell. Die Neugier in Herrn Glockbergl verflüchtigte sich zunehmend – und eines Morgens war sie gänzlich versiegt. Eine lastende Gleichgültigkeit war auf einmal über Herrn Glockbergl hereingebrochen. Lastend und erdrückend. Nichts interessierte ihn mehr. Nicht die spektakuläre Geschlechtsumwandlung eines ehemaligen Schwergewichtsboxers, worüber das Heute-Journal in einer Sondersendung berichtete, nicht der Goldfund im Garten seines Nachbarn, den er nun bedenkenlos hätte anpumpen können, nicht die stupsnasige Frau Rümerhundl, die er in Gedanken schon etliche Male verführt hatte, immer in der Hoffnung, es eines schönen Abends in tatsächlicher Handgreiflichkeit tun zu dürfen. All das war ihm auf einmal ungeheuer gleichgültig geworden. Herr Glockbergl hatte sich zu einem Menschen gewandelt, der in den Weiten dieser Welt auf nichts mehr zu hoffen wagte, dem jedwede Neugier abhanden gekommen war, der sich keiner Seele mehr verpflichtet fühlte. Ein Mensch, der sogar seinen Hund im Tierheim einquartierte, weil er ihm keine Zuneigung mehr entgegenzubringen vermochte. Und irgendwann hatte Herr Glockbergl dann beschlossen, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Er wollte dem Tod zuvorkommen. Eine Tat sollte es sein, die er bei ungetrübtem Bewusstsein geplant hatte, und die er nun ohne einen Anflug von Wehmut durchzuführen gedachte – ehe sein Interesse auch daran sich verflüchtigte.

Die Krähe hatte gerade einen Kreis über der Parkbank gezogen und war wieder ins Unbestimmte abgedriftet. Herrn Glockbergl schwindelte es leicht. Er blickte der Krähe nach. Und er hatte sekundenlang das Gefühl, als habe ihm diese Krähe beim Davonfliegen ein Auge zugeknipst. Deuteten sich da schon Halluzinationen an? Verlor er jetzt allmählich die Kontrolle über sein Wahrnehmungsvermögen? Es wurde Zeit! 

«Dann wollen wir beide mal ins Geschäft kommen, Tod!» murmelte Herr Glockbergl. Er griff in die Hosentasche. Nahm die Giftampulle heraus, die er bei seinem Freund, dem Apotheker Henderle, heimlich aus dem Regal genommen hatte. «Ich hoffe, du stellst dich heute geschickter an als sonst, Tod!» Herr Glockbergl schraubte die Ampulle auf.

«Ich könnte dich allerdings auch noch eine Weile hinhalten.» Er schraubte die Ampulle wieder zu.

«Ich habe es in der Hand, Tod! Ich! Nicht du!» Er schraubte die Ampulle um eine knappe Drehung wieder auf und las vom Ampullenaufkleber den Hinweis ab: «Lebensgefahr! Sofortiger Herzstillstand!» Herr Glockbergl nickte zufrieden. Und er entschloss sich zu einer weiteren Drehung. 

Dann bremste er sich jäh wieder ab. Hatte da gerade eine innere Stimme zu ihm gesprochen? «Entschuldigen Sie, wenn ich Sie anrede …», hatte die Stimme gesagt. Oder war das eine dieser Bewusstseinsstörungen? – «Darf ich mich zu Ihnen setzen?» fragte die Stimme.

Herr Glockbergl schaute auf.

Eine Frau stand vor Herrn Glockbergl. Eine junge Frau. Ein bezwingend schönes Fräulein stand auf einmal vor ihm mit tränenschimmernden Augen.

Sie kommen ungelegen, wollte Herr Glockbergl sagen, aber er sagte: «Bitte. Hier ist ja noch Platz.»

«Wissen Sie», flüsterte das bezwingend schöne Fräulein – nein, es flötete die Worte – «hätten Sie jetzt nicht hier gesessen, ich glaube, ich hätte es schon hinter mir!»

«Ach, ja?»

«Sie wollen gar nicht wissen, wovon ich spreche, Herr … Herr …?»

«Glockbergl! Nein, will ich eigentlich nicht. Ich bin mit mir selbst beschäftigt.»

«Es hat mich in den Park verschlagen», fuhr das bezwingend schöne Fräulein unbeirrt fort, «weil ich mich umbringen möchte. Ich muss es tun. Mein Freund hat mich verlassen. Ein reizloses Vakuum hat er mich genannt. Das Leben ist mir keinen Pfifferling mehr wert, was sagen Sie dazu?»

«Was könnte ich schon dazu sagen?»

«Ich will Sie mit meinem Schmerz natürlich nicht belästigen», sagte das Fräulein.

«Sie … Sie belästigen mich nicht.»

«Weil Sie zufälligerweise hier sitzen, Herr Glockbergl, fällt es mir aber jetzt doch ziemlich schwer.»

«Was denn?»

«Das Umbringen. In Ihrer Gegenwart. Aber …»

«Aber?»

«Ich muss es tun, was meinen Sie?»

«Sie könnten es auch lassen.»

«Sie haben gut reden! Wenn Sie wüssten!»

«Ich weiß …», sagte Herr Glockbergl.

«Gar nichts wissen Sie!» konterte das Fräulein. «Mein Freund hat eine Andere! Allerdings, Sie haben recht: Die müsste ich umbringen!»

«Warum tun Sie es nicht?»

«Weil ich ihn mit meinem Tod bestrafen will! Verstehen Sie? Mit meinem! Es sei denn, Sie halten mich zurück.»

«Eigentlich habe ich andere Sorgen.»

«Vergessen Sie Ihre Sorgen für eine Weile, Herr Glockbergl? Mir zu Gefallen?»

«Aber … ich habe beschlossen, heute nur an mich selbst zu denken.»

«Sie sind nicht verheiratet?»

«Woher wissen Sie das?»

«Ich sehe es Ihnen an.»

«Und was sehen Sie da?»

«Unbenutztes, Herr Glockbergl.»

«Wie meinen Sie das, mein Fräulein?»

«Ich meine, das Leben hat Sie noch gar nicht, wie soll ich es ausdrücken, mit Volldampf auf Entdeckungsreise geschickt.»

«Sie meinen …»

«Der Satz ist nicht von mir, hab ich aus einem Liebesroman! Aber genau das meine ich!»

«Ich hatte selbstverständlich meine Affären, wenn Sie darauf anspielen.»

«Und welche?»

«Nun ja …»

«Ach, wenn Sie schon so anfangen: nun ja. Dann kann da nicht viel passiert sein.»

«Auf jeden Fall hatte ich meine Träume! Fragen Sie die Frau Rümerhundl, oder fragen Sie besser nicht, sie wird nicht darüber sprechen wollen. Ach, Sie bringen mich ganz durcheinander …»

«Könnten Sie auch von mir träumen, Herr Glockbergl?»

«Ich wollte heute eigentlich ungestört bei mir selber bleiben, mein Fräulein, weil … aber das wird Sie nicht interessieren. Warum blinzeln Sie mich an?»

«Ein Versuch, Herr Glockbergl. Mein Freund hat immer gesagt: Wenn du so blinzelst, könnt‘ ich in die Knie gehen! Und Sie?»

«Eher nicht, oder?»

«Oder was?»

Herr Glockbergl schwieg.

«Wenn ich von Ihnen keine Antwort bekomme – ja, na, dann!» Das bezwingend schöne Fräulein blinzelte wieder, dann begann es zu nesteln.

«Was … was tun Sie denn da?» Mit einem ungeschickten Hopser war Herr Glockbergl um einige Zentimeter zur Seite gerückt. Das bezwingend schöne Fräulein hatte angefangen, sich die Bluse aufzunesteln.

«Ein Versuch, Herr Glockbergl. Vielleicht verlieben Sie sich in mich, wenn ich Ihnen … wie sagt man das in Ihrem Alter … wenn ich Ihnen einen gewissen Einblick verschaffe, und dann retten Sie mich garantiert vor dem Selbstmord! Halten mich auf! Das ist doch klar wie Klugscheißer, sagt mein Freund immer!»

«Und wenn ich mich weigere?»

«Hält mich nichts mehr auf!»

Herr Glockbergl wurde wütend. Beinahe. «Können Sie nicht einfach gehen? Sie verwirren mich! Sie lenken mich ab! Sie bringen mich um das letzte Restchen Verstand, über das ich noch verfüge!»

«Ist das so? Einfach knuffig, wie Sie das ausgedrückt haben, Herr Glockbergl!»

«Sie treiben Ihren Spaß mit mir, ich höre es heraus!»

«Würde es Ihnen denn leichter fallen, mich aufzuhalten, wenn ich Sie erst einmal küsse?» Das bezwingend schöne Fräulein rückte nahe an Herrn Glockbergl heran und küsste ihn auf den Mund.

Herr Glockbergl hatte es über sich ergehen lassen. Willenlos. Atemlos. Nun atmete er wieder. Stoßweise. Er fing an zu lächeln. Er wusste, dass er jetzt lächelte. Es ist … es ist das hoffnungsfrohe Lächeln des Entdeckungsreisenden Joachim Glockbergl, sagte er unhörbar leise zu sich selbst. «Ich könnte Ihr Großvater sein, mein schönes Kind», setzte er vernehmbarer hinzu. «Was ich damit sagen möchte: Bei mir ist nicht mehr allzu viel zu holen!»

«Sie sollen ja nicht mit mir ins Bett, Herr Glockbergl. Mir genügt schon eine Umarmung. Damit könnten Sie mir in Erinnerung rufen, dass ich euch Kerle immer noch rumkriegen kann! Sie sind ein so niedlicher alter Charmeur, Sie würden mir gut tun. Das spüre ich. Nach so einer Umarmung mit Ihnen könnte ich meinen Tod fürs Erste locker zurückstellen!»»

«Und ich vielleicht den meinen …» murmelte Herr Glockbergl.

«Wieso Sie? Machen Sie sich über mich lustig? Ich bin womöglich nur eine plappernde Pute, würde mein Freund jetzt sagen, doch, doch, da brauchen Sie gar nicht abzuwinken! Aber ich habe Gefühle! Und wenn ich mich umbringen will, dann sollten Sie das respektieren! Und wenn Sie meinen Tod nicht wollen, könnten Sie mich ja umarmen … ach, entschuldigen Sie!» Das bezwingend schöne Fräulein schluchzte unvermittelt auf. Tränen kullerten ihm über die Wangen.

Herr Glockbergl wusste dieses Verhalten nicht zu deuten. Ich habe keine Erfahrung mit diesen verzweifelten jungen Dingern, dachte er, und außerdem: Es war ihm, als treibe dieses verheulte Fräulein da an seiner Seite ein Spiel mit ihm, das er nicht durchschaute. Andererseits: Was wäre, wenn er sich irrte? «Eine Umarmung will ich ja gerne versuchen …» sagte er.

«Dann bitte!»

Sie ist so geradeheraus, dachte Herr Glockbergl. «Mein Herz klopft ziemlich heftig …» sagte er.

«Das ist normal, Herr Glockbergl, ich bin eine bezwingend schöne Frau!»

«O ja, das sind Sie!»

«Hat mein Freund auch gesagt. Trotzdem ist er über die Andere hergefallen.»

«Sie sind sogar ein Wesen, das einen Mann … es fällt mir schwer, meine Einschätzung diesbezüglich genauer zu umreißen … das einen Mann neugierig machen könnte.»

«Das haben Sie süß gesagt!»

«Am liebsten würde ich alles Weitere stottern … verzeihen Sie.» Eine plötzliche Wärme strömte Herrn Glockbergl durch die Adern. Sein Brustkorb weitete sich. Der Atem beschleunigte sich. Sein Entschluss war gefasst: Er würde die Lösung seines eigenen Problems auf unbestimmte Zeit hinausschieben. Er legte einen Arm um das bezwingend schöne Fräulein. «Wie heißen Sie mit Vornamen» fragte er. Die Antwort wartete er nicht ab. Er legte auch den anderen Arm um das Fräulein. Er spürte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg, wie ihn ein wunderbarer Schauer überkam, er hatte sich nahe an das Fräulein herangedrängt, er sog ihren Geruch in sich ein, sein Puls raste, Herr Glockbergl schwamm in Wünschen und Wonne, und dann blieb ihm das Herz stehen.

«Herr Glockbergl, was ist mit Ihnen?»

Der Tod hatte Herrn Glockbergl ereilt. 

Er sah nicht mehr, wie sich das bezwingend schöne Fräulein nach einer Weile von der Bank erhob, die Bluse zuknöpfte und langsam davonging. Er sah auch nicht mehr, dass die Krähe lautlos herangeschwirrt kam und sich auf die Schulter des bezwingend schönen Fräuleins hockte. Womöglich hätte Herr Glockbergl daraus schließen können, dass sich die beiden schon länger kannten.